Programm
Die Poesie in Basel lebt – hier und heute. Und manchmal genau dort, wo man sie nicht vermuten würde. Gedichte kommen aus Automaten und laufen über das Poesietelefon. Im Kannenfeldpark steht (mittlerweile der zweite) Baum der Poesie. Im «Büro für Problem» [sic!] werden literarische Kurzwerke in Handarbeit gedruckt. Und zweimal im Jahr – am Tag der Poesie und zum Internationalen Lyrikfestival Basel – wird Lyrik in dieser Stadt ganz gross gefeiert. Einen Tag vor Beginn des 19. Internationalen Lyrikfestivals hören Sie exklusiv Gedichte der neuen Lyrikpreisträgerin Anna Hetzer und erhalten einen Vorgeschmack auf das Festivalprogramm.
Führung: Maria Marggraf
Eine Kooperation mit Literaturspur
Anmeldung unter:
Weitere Infos gibt`s hier.
Schüler:innen von verschiedenen Basler Schulen haben sich vier Tage lang mit den Werken des amerikanischen Künstlers Wayne Thiebaud auseinandergesetzt. In der Ausstellung in der Fondation Beyeler, der ersten Einzelausstellung des 2021 verstorbenen Malers im deutschsprachigen Raum, reihen sich Kuchenstücke aneinander, Torten warten in abstrahierten Vitrinen, Wassermelonen auf Ladenregalen. Alltäglichkeiten werden ins Zentrum gerückt, Schuhe, Spielautomaten, Agrarlandschaften – immer spielerisch, in leuchtenden Farben und berührbaren Texturen. Unterstützt durch die Lyrikerin Eva Maria Leuenberger und der Kunstvermittlerin Stefanie Bringezu sind die Schüler:innen schreibend in diese Bilderwelten eingetaucht und haben sich über die Sinne an die Sprache herangetastet. Die Resultate dieser Begegnungen präsentieren sie zum Auftakt des Lyrikfestivals im Rahmen einer Lesung im Literaturhaus Basel.
In Kooperation mit dem Wortstellwerk Basel und der Fondation Beyeler
Tillmann Severin: «zwischen wählscheibe und lieferapp»
Moderation: Claudia Gabler
Tillmann Severins Lyrikdebüt «museum der aussterbenden mittelschicht» führt ins bundesrepublikanische Nachkriegsdeutschland, wo Wohlstand und Bildungsaufstieg aufs Neue möglich und nötig wurden. Severin spürt in elektrisierend karger Sprache der Geschichte seiner eigenen Familie nach, sucht mit Beharrlichkeit nach Struktur und Bestand, findet Trost, aber vor allem Trostlosigkeit und Dekadenz – und weder Logik noch Legitimation von Wohlstand in einer Gegenwart, die von einer in die nächste Katastrophe stolpert.
Odile Kennel: «I am fond of you / je fonds pour toi»
Moderation: Ariane von Graffenried
Odile Kennels Gedichte sind leicht, verspielt und subversiv. Ihre Sprache lässt sich nicht bändigen, reibt sich, wird zum begehrenden Körper, der sich das Gegenüber einverleibt. Das Ich «bafoulliert», «baragouiniert», fällt in die Spalte zwischen zwei Wörtern, tastet sich mehrsprachig an das Du heran. Dabei schöpft die Dichterin aus dem Dazwischen, humorvoll, spielerisch und dem Klang verpflichtet.
Voilà! Hier sind sie die preisgekrönten Königinnen Les Reines Prochaines und ihr brandaktuelles Konzertprogramm, mit neuen Songs und zauberhaften performativen Beiträgen, eine Reise durch die schlimmsten Befürchtungen und grössten Hoffnungen unserer Zeit. Rubination ist eine Wortschöpfung, die unsere gegenwärtige Gefühlslage beschreibt. Rubination verschmilzt die Begriffe grübeln (ruminieren) mit der tiefroten Kraft des Rubins. Grübeln steht für das Nachdenken, aber auch für das Nichthandeln, das Auf-der-Stelle-Treten und das satte Rubinrot für Selbstermächtigung und Zuversicht.
Was haben Alltag mit Natur, Weltwirtschaft mit Körper, Gerüche mit dem limbischen System zu tun? Und was haben Karpfen mit Katastrophen, Gewohnheiten mit Pelzkrägen, blaue Tinte
mit dem Unsichtbaren und Fleisch und Fliegen mit unserem infernalen Lebensstil zu tun?
Gedichte, natürlich. Das Gespräch über Gedichte. Ein Selbstporträt des Kursleiters in Gedichten, um das ästhetische Feld zu öffnen. Eine gemeinsame Schreibübung zu «was brauchst du» von Friederike Mayröcker. Eine weitere Schreib- und Spazierübung zum Verknüpfen von Wahrnehmung und Text. Oder möglicherweise auch völlig anderes, das gebraucht wird, in sechs Monaten, wenn die Welt sich verändert haben wird, wie es nun einmal ihre Art ist.
Leitung: Marcel Beyer
Kosten: 98.- CHF
Anmeldung via Volkshochschule beider Basel
Eine Kooperation mit der Volkshochschule beider Basel (VHSBB)
Farhad Showghi: «Es kann zurzeit keinen Genuss / am Verstummen geben»
Moderation: Rudolf Bussmann
Die Welt, wir wissen es aus Philosophie und Physik, ist nicht so, wie wir sie sehen. Beim Lesen von Farhad Showghis Gedichten wird dieses Wissen zur luziden Erfahrung. Vor uns tun sich Bilder auf, die wir wiedererkennen und die uns gleichzeitig fremdartig vorkommen. Sie mischen Wirkliches mit Traumhaftem, Aktuelles mit Erinnerungen, europäische Nüchternheit mit orientalischem Wortzauber. Die Gedichte wagen sich in innere Räume vor, ohne die Nähe zur unmittelbaren Wahrnehmung zu verlieren.
Moderation: Claudia Dathe
Marianna Kiyanovskas Gedichtband «Babyn Jar. In Stimmen» (Kyjiw 2017) führt in den September des Jahres 1941, als in der Schlucht von Babyn Jar (Russisch: Babij Jar) bei Kyjiw an zwei Tagen mehr als 33.000 jüdische Frauen, Männer und Kinder von NS-Sonderkommandos erschossen wurden. Kiyanovska wandelt mit ihren Gedichten die bedrückende Zahl in einen beklemmenden Chor. In der Artikulation von Wegsehen und Hinsehen, Weghören und Hinhören, Ahnen, Misshandeltwerden, Laufen, Drängen, Ausblenden und Rufen bekommen namenlosen Opfer eine Stimme. In der Lesung stellen Marianna Kiyanovska und Claudia Dathe den Gedichtband vor und kommen über Erinnern und Vergessen im ukrainischen Kontext ins Gespräch.
Mit Ariane von Graffenried, Wolfram Malte Fues, Claudia Gabler, Alisha Stöcklin, Rudolf Bussmann und Simone Lappert.
Das Basler Lyrikfestival ist aus Treffen einer Gruppe von Basler Lyriker:innen entstanden, die sich in den 90er-Jahren regelmässig über die eigene Schreibarbeit austauschte. Auch heute kuratiert eine Gruppe von Lyriker*innen das Programm des Lyrikfestivals. Hier geben sie in einer gemütlichen Atmosphäre Einblick in ihre eigene Arbeit.
Laudatio: Simone Lappert & Alisha Stöcklin
Eintritt frei! Bitte beziehen Sie sich ein Gratis-Ticket über den Webshop.
Sprachgewaltig und humorvoll hinterfragt Anna Hetzer Genderkonstrukte und patriarchale Strukturen in Kunst- Medizin- und Kulturgeschichte. Ihre Gedichte halten Referenzräume prüfend gegen das Licht, setzen sich mal laut und mitreissend, mal zart und hinterfragend mit weiblicher Körperlichkeit, lesbischer Erotik und überholten Erzählmustern auseinander, indem sie etwa von Liebespaaren erzählen, die «nicht unter jeder lampe stehen bleiben» können, die «nicht schon immer so teil des bildes» waren. Mit aufregender Präzision und bestechendem Sound mischt die Lyrikerin den Kanon auf und ordnet ihn neu. Anna Hetzer, geboren 1986, wuchs in einer deutsch-polnischen Familie in Berlin auf. Sie studierte Medizin, Philosophie und Literatur ebendort. Im Anschluss arbeitete sie in einer psychiatrischen Klinik als Ärztin. Ihr literarisches Schreiben umfasst Lyrik, Essays und Übersetzungen. Zuletzt erschienen die Bände Pandoras Playbox im Verlagshaus Berlin, sowie Schaum bei Sukultur. Sie ist Mitglied des Lyrikkollektivs G13 und beteiligt sich zudem an verschiedenen künstlerischen Kooperationen. Sie erhielt u. a. einen Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis beim Literarischen März 2021 und ist 2023 Stipendiatin der Akademie der Künste Berlin in der Villa Serpentara, Olevano Romano.
Der Basler Lyrikpreis wird gestiftet von der GGG Basel.
Anschliessend Apéro
Der Basler Lyrikpreis wird gestiftet von der GGG Basel.
Vorhang auf für: Barbara Juch & Alice Peterhans (Musik), Tanasgol Sabbagh & Norwin Tharayil (Musik), Gerhard Meister & Anna Trauffer (Musik).
Moderation: Simone Lappert
Das Late Night Varieté des Internationalen Lyrikfestivals Basel präsentiert Sprachkünstler*innen jenseits der Schubladen, die waghalsig, innovativ und experimentierfreudig die Grenzen zu anderen Kunstsparten überschreiten, ausloten und verschieben. Sie gehören damit zu den aufregendsten Stimmen zeitgenössischer Lyrik.
In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf der Schnittstelle zu Musik und Performance.
Mit Sultan Yaray und Meral Şimşek
Moderation: Hevin Karakurt
Übersetzung Evîn Yağci
In Kurdistan führt die Regierung Krieg gegen die eigene Bevölkerung, vor allem und besonders gegen Frauen. Sultan Yaray lebt als kurdisch schreibende Lyrikerin in Amed (Diyarbakir). Sie hat bisher zwei Gedichtbände vorgelegt. Meral Şimşek ist eine türkisch-kurdische Schriftstellerin und Dichterin, ebenfalls aus Amed. Im Januar 2021 wurde Meral Şimşek wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“und „terroristischer Propaganda“ angeklagt. Ihr Fall sorgte für grosses Aufsehen. Dem PEN Berlin gelang es Mitte Juli 2022, Meral Şimşek zwei Tage vor einem Prozesstermin aus der Türkei nach Deutschland zu bringen. 2022 erhielt sie für ihr lyrisches und literarisches Schaffen den Theodor Kramer-Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil.
Im Gespräch mit Hevin Kavakurt präsentieren die beiden Dichterinnen ihre Werke und stellen einen Kontext zur aktuellen Situation in ihrer Heimat her.
Lesung und Gespräch
Moderation: Wolfram Malte Fuess
Marcel Beyer hat Romane («Flughunde», Kaltenburg»), Essays («Nonfiction», «Sie nannten es Sprache») sowie sieben Gedichtbände veröffentlicht. Er ist Träger des Friedrich-Hölderlin-, des Georg-Büchner-, des Peter-Huchel-Preises und vieler weiterer Auszeichnungen. Er lebt und schreibt in Dresden. «Ich habe die kühle // Stirn, ich knipse was an: Wildsein, / Erinnern, der Versuch einer / Schwarztorflektüre – schwarz auf / schwarz.» (Dämonenräumdienst) Wir werden zu erfahren suchen, wie man das liest.
Rasha Habbals Gedichte machen sich verletzlich. Sie sind immer intim, aber nie privat – immer alltäglich, aber nie belanglos. Szenen und Situationen projiziert Habbal auf den Hintergrund ihrer Entstehung: die syrische Revolution von 2011, den Bürgerkrieg, das Leben in Deutschland. Die Geschehnisse gewinnen aber nicht die Oberhand über das Gewöhnliche, das eine umso größere Symbolkraft entfaltet. Oft sind es häusliche Szenen oder »weibliche« Handlungen wie jemandes Hand nehmen, warten oder im Kleid schlafen, die kippen und eine völlig neue Wendung erfahren. Fast beiläufig verhandelt Habbal in jedem Gedicht sexuelles Begehren. Die Intimität besteht jedoch nicht um ihrer selbst Willen, sondern gibt Blicke auf größere Zusammenhänge frei: »Ich bin dein Rücken, / du mein Gesicht. / Du schläfst, / hast vergessen, dass Krieg weiblich ist.« Übersetzt wurden die Gedichte von Anke Bastrop und Filip Kázmierczak.
Anmeldung via www.sofalesungen.ch
In Kooperation mit dem Verein Sofalesungen